Soll ich meinem Baby Milchzucker geben?

Soll ich meinem Baby Milchzucker geben?

Milchzucker wird als der natürliche, problemlose Verdauungshelfer angepriesen und verkauft. Schon schwangeren Frauen wird er bei Verstopfung empfohlen. Und auch dir wurde er bestimmt schon von dem einen oder anderen empfohlen. Auch heutzutage wird er ab und zu bei Verdauungsproblemen und Co. von Hebammen, Kinderärzten/innen und Grossmüttern für die Säuglingsernährung empfohlen.

Stimmt es aber wirklich, dass hinzugegebener Milchzucker in die Flasche dem Baby bei Verstopfung und Blähungen tatsächlich hilft? Hier ein kurzer Überblick.

Übrigens: am Ende des Artikels findest du einen wertvollen Kommentar von unserer Kinderernährungs-Expertin Eva. 

Muttermilch als Vorbild

milchzucker baby bild 2

Muttermilch besteht aus ca. 7 Gramm Kohlenhydraten pro 100 ml. Ein Großteil, also über 90 % ist die Laktose, der Milchzucker. Die übrigen 10 % sind Oligosaccharide mit probiotischer Wirkung, diese fördern die Besiedelung des Darmes mit wichtigen Bakterien. Dennoch wurde ihre Wirkung in den letzten Jahren sozusagen „übergangen“ und in den Schatten gestellt. Deshalb ist es bisher so, dass in den Pre-Nahrungen laut Richtlinien 100 % Laktose als Kohlenhydrate enthalten sind.

Um die Laktose zu verdauen, brauchen wir Menschen ein Enzym, das uns dabei hilft, und zwar die Laktase. Die Aktivität der Laktase ist erst zur 37. Schwangerschaftswoche ausgebildet. Das bedeutet wiederum, dass Frühgeborene eine solche Nahrung, bestehend im Kohlenhydrat aus 100 % Laktose, nicht gut verdauen können. Hierfür gibt es Nahrung für Frühgeborene, die auf die Bedürfnisse der noch nicht ausgereiften Verdauung eingestellt sind, diese enthalten somit weniger Milchzucker als die sonst verwendeten Pre-Nahrungen. Es gibt aber auch Säuglinge, die am Termin geboren werden und manchmal einen Mangel an Laktase haben, worauf sie dann nicht gut auf diesen hohen Anteil an Laktose reagieren.

Babys, die gesund und reif auf die Welt kommen und gestillt werden, besitzen meistens eine ausreichende Aktivität der Laktase, und somit einen problemlosen Stuhlgang und haben auch keine Probleme mit lästigen Blähungen und Bauchschmerzen.

Wird jetzt aber der Milchzucker zum Beispiel über einen Tee zusätzlich verabreicht, ist es fraglich, ob die Aktivität der Laktase auch diese (unnatürlich) zugeführten Mengen spalten kann.

Verdauung von Laktose

Laktose ist ein Zweifachzucker und muss deshalb, um vom Körper aufgenommen werden zu können, in seine Bestandteile Glukose und Galaktose gespalten werden. Dafür wird das Enzym Laktase benötigt.

In der Schleimhaut des Dünndarms wird die Laktase produziert und von dort wird sie zur Spaltung der Laktose abgegeben. Die Laktase braucht viermal länger für die Spaltung eines Milchzuckermoleküls, wie zum Beispiel die Saccharose, die speziell den Haushaltszucker (Kristallzucker) spaltet, benötigt.

Milchzucker wird demnach sehr langsam in den unteren Darmabschnitten aufgenommen, was wiederum zu einer anhaltenden Sättigung, einer konstanten Versorgung des Blutes mit Glucose – einem guten Blutzuckerspiegel, beiträgt.

In den Dickdarm schafft es ein Teil des Milchzuckers, dort wandeln dann Darmbakterien den „Rest-Milchzucker“ in Milchsäure, Essigsäure und Kohlensäure um.

Diese Säuren erhöhen hier den osmotischen Druck im Darm und bewirken den Einstrom von Wasser in den Darm, wodurch sich das Volumen und das Gewicht des Stuhls erhöhen. Es bilden sich Darmgase, diese erhöhen den Druck im Darm und bewirken Darmbewegungen – die Peristaltik.

Eine aufweichende Wirkung des Stuhls einerseits, und bessere Fortbewegung der Menge vom Stuhl im Darm andererseits.

Zusetzen von Milchzucker

Der zugesetzte Milchzucker zur Muttermilch oder Babynahrung landet mit hoher Wahrscheinlichkeit im Dickdarm. Hier kann es nun passieren, dass die Aktivität der Laktase nicht mehr ausreicht. Der Zusatz bewirkt einen hohen Druck und mit unter starke Darmbewegungen, die dünneren Stuhlgang sowie schmerzhafte Blähungen verursachen können. Durch den zugesetzten Milchzucker kann es sogar unter Umständen zu schwerem Durchfall kommen.

Die Natur ist nunmehr darauf ausgelegt, ca. 7 mg Milchzucker auf 100 ml zu spalten und der Verdauung zuzuführen.

Der Umgang mit Milchzucker früher

Früher wurde bei nicht gestillten Babys die Muttermilch durch Halbmilch oder Zweidrittel-Milch (Kuhmilch) ersetzt, dieser Kuhmilch-Wasser-Mischung musste dann unter anderem auch Milchzucker zugesetzt werden. Von Natur aus hat die Kuhmilch deutlich weniger Milchzucker und wurde deshalb als Halb- beziehungsweise Zweidrittel-Milch angeboten. Dadurch erfolgte eine weitere Reduzierung des wichtigen Kohlenhydrates Milchzucker.

Wurde dann kein Milchzucker hinzugefügt, waren die Babys unter anderem mit zu wenig Kalorien unterversorgt, und die positiven Effekte des Milchzuckers, wie der Einfluss auf die Darmperistaltik, die Besiedelung von Keimen und die Weichheit des Stuhlgangs blieben dann ebenso aus. Dies führte dadurch zu einer Art von Mangelernährung bei einigen Babys.

Aus diesem Grund kann man gut verstehen, warum insbesondere ältere Hebammen, Kinderärzte und Grossmütter die Verwendung von Milchzucker gutheissen. Er war bei der Ernährung mit Frischmilch als Flaschennahrung einfach wichtig gewesen.

Hilft Milchzucker gegen Verstopfung bei Babys?

Wenn du überlegst Milchzucker gegen Verstopfungen bei deinem Baby zu verwenden, solltest du wissen, dass sich industriell hergestellte Babynahrungen heutzutage alle an der Zusammenstellung der Muttermilch orientieren und dementsprechend auch schon von vorneherein einen Milchzucker-Anteil enthalten.

100 Gramm reiner Milchzucker (zum Beispiel: Edelweiss) enthalten 99,8 Gramm Kohlenhydrate. Dies entspricht (laut Hersteller Edelweiss) 399 Kilokalorien= kcal.

Eine Zugabe von Milchzucker kann somit zu folgenden unerwünschten Nebeneffekten führen:

  • Schmeckt süsser, der Geschmack deines Babys wird also auf Süsses getrimmt
  • Kann zu Blähungen führen, da Darmgase vermehrt gebildet werden
  • Kann dem Darm Wasser ziehen, was zu weichem/spritzendem Stuhl führen kann
  • Kann durch die zusätzliche Zufuhr von Kalorien zu Übergewicht beim Baby führen
  • Kann zu einem Flüssigkeitsmangel führen, da mehr Wasser im Darm gebunden wird

Ausserdem sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Die Hersteller von Milchzucker weisen auch darauf hin, dass die Zugabe von Milchzucker zur Flaschenmilch sich auf Flaschenernährung mit Frischmilch bezieht.
  • Genauso weisen die Babynahrungshersteller auf jedem Päckchen darauf hin, dass der Fertignahrungen nichts anderes zugegeben werden soll – und die Anweisung zur Dosierung exakt beachtet werden sollen.
  • Gestillte Säuglinge brauchen auch keine Zusätze von Milchzucker. Sollten sie mehrere Tage keinen Stuhlgang haben, ist das durchaus mal normal. Hier könntet ihr dann eine Gewichtskontrolle machen, und nicht zum künstlichen Abführen mit Tees mit Milchzucker greifen.

Fazit:

Prinzipiell benötigt weder ein Flaschenbaby noch ein voll gestilltes Baby die Zugabe von zusätzlichem Milchzucker. Und die Wahrscheinlichkeit, dass das Problem, welches damit behandelt, werden soll, schlimmer wird, ist sehr hoch. Gerade, wenn du Milchzucker gegen Blähungen verwenden möchtest, wirst du damit höchstwahrscheinlich nur das Gegenteil erreichen, da dieser die Darmgase nur zusätzlich anfacht.

Eva Monteneri Kinderernährungs Expertin bei yamo

Kommentar von Kinderernährungs-Expertin Eva Monteneri:

Milchzucker gehört nach heutigem Stand definitiv nicht in Säuglingsmilch, um Verdauungsprobleme zu behandeln. Wenn man nun betrachtet, in welchem Alter die meisten Eltern Verdauungsprobleme bei ihren Kleinen beobachten, kommt man schnell auf die bekannten «Dreimonatskoliken». Und genau dazu gab es in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse: Bezüglich der Dreimonatskoliken ging man früher davon aus, dass eine Darmunreife mit Bauchweh und Verdauungsproblemen für die bekannte abendliche Unruhe des Babys verantwortlich ist. Viele Eltern kennen das untröstliche Weinen am Abend, bei dem das Baby auch einen gespannten Bauch und Blähungen hat.
Doch heute wissen wir, dass die Ursache dafür vielmehr die Verarbeitung der Eindrücke des Tages ist. Das Weinen ist dabei die Kommunikation des Kleinen und der angespannte Bauch ist eher die Folge als die Ursache davon. Hier hilft also Tragen, Trösten, Zuhören, Stillen, aber leider kein Medikament und kein Milchzucker.

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